Marina Kerdraon-Dammekens
I sogni: Amor à mort
Im Jahr 2022 sind in Deutschland fast 180.000 Opfer häuslicher Gewalt gemeldet worden - eine Dunkelziffer. Der tatsächliche Wert wird von den zuständigen Behörden um einiges höher eingeschätzt. 2021 wurden bundesweit 109 Frauen und 12 Männer von ihrem (ex-)Partner*innen umgebracht. In Frankreich stirbt im Schnitt alle drei Tage eine Frau unter den Schlägen ihres Partners.
Was früher noch als Verbrechen aus Leidenschaft galt, wird heute häusliche Gewalt genannt. Und dennoch bleiben, in unserer Gesellschaft, gewisse mit Gewalt verbundene Gedankenmuster über die Liebe tief verankert.
Unser Programm geht diesen Bildern in der Musik von ca. 1350 bis 1650 auf die Spur. Ist Liebe erst wahr, wenn sie richtig weh tut? Könnte es sein, dass Musikstücke zum Teil dazu beitragen, gefährliche Machtverhältnisse in menschlichen Beziehungen als normal oder sogar erstrebenswert zu etablieren? Sind andere Liebesnarrative in den Stücken des frühen Barocks vertreten, als das des unglücklichen jungen Mannes, geplagt durch eine unerwiderte Liebe für eine wunderschöne und kaltherzige Frau?
Und kann die Musik auch zum Raum für die Stimmen der Frauen werden?